Das Informationsportal zur Geschichte der syndikalistischen Arbeiterbewegung

 

Institut für Syndikalismusforschung

 

 

Home

 

Suche auf Syfo /Search Syfo Pages

 

Other Languages/

Otras Lenguas

 

Kontakt

 

Impressum

 

„Junge Anarchisten“

 

Untertitel: Organ der Syndikalistisch-Anarchistischen Jugend Deutschlands

 

Herausgeber: Syndikalistisch-Anarchistische Jugend Deutschlands (SAJD)

 

Erscheinungsort: s.u.

 

Weitere Daten siehe im Text zur Geschichte

 

Rubriken: „RIST Mitteilungen“ (Reichsinformations-Stelle), „Vereinskalender“, „Blick in die Bücherwelt“, „Anzeigen“, „Aus der Bewegung“ „Von unseren Gegnern“

 

 

Geschichte: Von Oktober 1923 bis 1931 erschien als offizielles Nachfolgeorgan der nicht zur SAJD gehörigen Zeitschrift „Flammenzeichen“ die „Junge Anarchisten“.[1] Zunächst jedoch lies diese aufgrund mangelnder Zahlungen der SAJD-Gruppen auf sich warten. Bis zur ersten Ausgabe sollte daher als „Ersatz“, beginnend mit dem 01. Oktober 1922, ein Mitteilungsblatt („Junge Rebellen“) herausgegeben werden, und die Reichs-Informations-Stelle der SAJD erklärte: „Wir müssen zu diesem Hilfsmittel greifen, da durch die ins Ungemessene gesteigerten Preise der Druck unserer Zeitung ‚Junge Anarchisten’ ohne die nötige Unterstützung aus dem Reiche unmöglich geworden ist.“ Im Rheinland überbrückte die Jugend die Zeit bis zum Erscheinen dieser eigenen Zeitung mit einer „Jugendbeilage“ in „Die Schöpfung“, dem „Sozialrevolutionären Organ für das sozialistische Neuland“. Darin enthalten sind auch das erste und das zweite „Rundschreiben an alle syndikalistisch-anarchistischen Jugendgruppen Deutschlands“.[2]

 

Auflagen

 

Sowohl „Die junge Menschheit“ als auch „Junge Anarchisten“ waren die Hauptorgane der SAJD. Nur dass letzteres nicht dieselbe Auflage erreichte. Der Schnitt lag zwischen 2.000 (1928) und 4.000 Exemplaren,[3] ab Mai 1927 wurden 3.000 Exemplare gedruckt.[4] Bisweilen erreichte sie 5.000-6.000 Auflage, und in einer Ausgabe mit antimilitaristischem Schwerpunkt im Juli 1926 sogar 15.000.[5] Angestrebt wurden im Regelfall 8.000.[6] Die „Junge Anarchisten“ führten nach Einschätzung der politischen Polizei eine „außergewöhnlich radikale Sprache“.[7] Einem Bericht auf dem 7. Reichskongress der SAJD Ende 1928 ist ein Rückgang der Auflagenzahl zu entnehmen: „Durchschnittlich wurden von jeder Nummer nur 2.000 Stück gedruckt und von diesen nur 70 % abgerechnet.“[8] „Junge Anarchisten“ erschienen nicht durchgehend, jedoch angestrebt monatlich mit in der Regel acht Seiten.[9]

 

Aus den Richtlinien

 

In den Richtlinien der SAJD aus dem Jahre 1928 wurde über „Junge Anarchisten“ folgendes gesagt: „Das Organ der SAJD ist ‚Junge Anarchisten’ und wird von der RISt. [Reichs-Informations-Stelle] herausgegeben. Der Inhalt der ‚Jungen Anarchisten’ ist im Sinne der Prinzipien der Reichsföderation zu halten. Alle Angelegenheiten, welche auf die Bewegung Bezug haben, sind in den ‚Jungen Anarchisten’ den Gruppen bekanntzugeben. Der Bezug der ‚Jungen Anarchisten’ ist für alle Mitglieder der SAJD obligatorisch und erfolgt durch die Gruppen bzw. Föderationen. Der Preis für die Zeitung ist von der RISt. zu bestimmen. Die ‚Jungen Anarchisten’ sind finanziell selbständig zu erhalten. Um diese Selbständigkeit zu gewährleisten, besteht ein Pressefonds, dem die RISt. alle Überschüsse aus dem Vertrieb der ‚Jungen Anarchisten’ zufließen lässt. Die Ortsgruppen und Föderationen sind verpflichtet, die bezogene Anzahl von Exemplaren monatlich an die RISt. abzurechnen.[10]

 

Gestaltung und Themen

 

Inhaltlich standen die Ausgaben und Aufmacher ganz im Zeichen des Antimilitarismus und des traditionellen Gedenkens, beispielsweise zu Bakunin, Sacco/Vanzetti oder zum 1. Mai. Daneben finden sich zentrale Beiträge zur Position und zum Sinn der syndikalistisch-anarchistischen Jugendbewegung und -organisation: „Warum muß eine Jugendbewegung sein?“, „Zum Jugendproblem. Jugendbewegung oder Jugendpflege?“, die Thematisierung der Schulfrage: „Staatserziehung und revolutionäre Jugendbewegung“, „Die ‚Freie Schule’. Die ersten Versuche. (Paul Robin, Francisco Ferrer)“, Beiträge zur Arbeitswelt: „Die Maschine“ und Protokolle der Jugendtreffen auf regionaler, reichs- und internationaler Ebene.

 

Die Ausgaben waren bebildert und mit Gedichten (oft John Henry Mackay) und Aphorismen (Danton, Peter Kropotkin, Michael Bakunin, Gustav Landauer, Rosa Luxemburg, Henri Barbusse, oder J.G Seume) versehen. Auf der letzten Seite gab es Büchertipps und Rezensionen, welche den aufklärerisch-kulturbetonenden und zugleich kämpferischen Charakter von Zeitung und Bewegung deutlich werden lassen: U.a. zu Paul Albrecht: „Freiheit der Liebe“ und „Geschlechtsnot der Jugend“; Ludwig Bergfeld: „Seliges Verstehen. Das Erkenntnisproblem des Jungmädchens“; Alexander Berkman: „Die Tat. Gefängniserinnerungen eines Anarchisten“; Handrik de Man: „Zur Psychologie des Sozialismus“; Julius Goldberg: „Satirisches Taschen-Lexikon“; Rudolf Großmann: „Die Irrlehre und Wissenschaftslosigkeit des Marxismus im Bereich des Sozialismus“; Magnus Hirschfeld: „Geschlechtskunde“; Max Hodann: „Bub und Mädel“; Kurt Kläber: „Barrikaden an der Ruhr“, „Empörer! Empor!“; Erich Mühsam: „Revolution. Marsch-, Kampf- und Spottlieder“; Max Nettlau: „Der Anarchismus von Proudhon zu Kropotkin, seine historische Entwicklung in den Jahren 1859-1880“; Karl Roche: „Arbeiterjugend und natürliche Ordnung“; Rudolf Rocker: „Die Rationalisierung der Wirtschaft und die Arbeiterklasse“, „Vom anderen Ufer“; Alfons Schöne: „Nacktkörperkultur“; Felix Sernau: „Das Fiasko der Monogamie“; Felix Theilhaber: „Beiträge zum Sexualproblem“, „Die menschliche Liebe“; Heinrich Wandt: „Das Justizverbrechen des Reichsgerichts an dem Verfasser der Etappe Gent“.

 

Die relativ hohe Relevanz der Sexualaufklärung wurde so begründet: „Kein anderes Lebensgebiet ist so von Unwissenheit, grobem Aberglauben und unmenschlichen Vorurteilen umgeben, wie das Geschlechtsleben des Menschen; auf keinen wirkt sich solche Unkenntnis und grundfalsche Einstellung auch so verheerend für Gesundheit und Menschenglück aus wie hier. Sexualwissenschaftliche Belehrung ist aber dringend von Nöten.“[11] Daneben gab es die Rubrik „Aus der Bewegung“, wo aus dem gesamten Reichsgebiet über die Aktivitäten der SAJD berichtet wurde, und Ernst Friedrich bekam gar eine eigene Rubrik: „Von unseren Gegnern“.[12] Gemäß der Tendenz zur verstärkten Berichterstattung aus der Arbeitswelt wurde zusätzlich die Rubrik „Aus den Betrieben“ eingerichtet. Hinzu kamen am Schluß die Mitteilungen einzelner Ortsvereine, der Redaktion und der Reichs-Informations-Stelle (besonders häufig Warnungen über Betrüger innerhalb der Bewegung), sowie das Impressum.

 

Die Schreiber

 

Die Beiträge kamen zumeist von den Protagonisten der (späteren Erwachsenen-) Bewegung: Paul Albrecht (Berlin, Redakteur), Reinhold Busch (Redakteur), Karl Gültig (Offenbach), Georg Hepp (Frankfurt/M., Redakteur), Fritz und Lisa Linow (alle Berlin), Helmut Rüdiger. Eine Tatsache, deren Schattenseiten durchaus gesehen wurden. Innerhalb von zwei Jahren ist die Zeitung mangels Mitarbeit und wohl auch Lebendigkeit der Organisation nur 10 Mal erschienen, wie 1929 selbstkritisch festgestellt wurde: „Auch die Frage der Mitarbeit war oftmals peinlich. Es mangelt immer noch an geistiger Mitwirkung aus der Bewegung selbst heraus; die Zeitung, die wie nichts anderes sonst mit ihrer Werbekraft die Bewegung stützen und fördern könnte, muß temperamentvoller werden, sie muß die Außenstehenden, an die sie gelangt, interessieren, muß für das Proletariat entscheidende Tagesfragen und Ereignisse der Politik, des Wirtschaftslebens und Gewerkschaftskampfes behandeln, aber zugleich auch zu den großen Kultur- und Erziehungsfragen Stellung nehmen.“[13] Als Sonderling der Bewegung schrieb Herbert Wehner. Dieser stand dem Syndikalismus ablehnend gegenüber. Er hing einem ausgeprägten Fatalismus an, seine Wendung zum autoritären Funktionär in der kommunistischen Organisation überrascht zudem aufgrund seiner analytisch scharfen, jedoch wenig konstruktiven Beiträge kaum.[14]

 

Redaktion

 

Die Redaktionsarbeit beschrieb Georg Hepp so: „Die Struktur der Redaktion von ‚Junge Anarchisten’ dürfte wohl überall die gleiche gewesen sein. Sie war denkbar einfach und bestand aus einem Einmannbetrieb. Der Redakteur übte die Tätigkeit nebenberuflich und ehrenamtlich aus. Alle Redakteure von ‚Junge Anarchisten’, die ich kennengelernt habe, waren junge Arbeiter, die in der Regel nur die Volksschule besucht hatten und die, so gut sie eben konnten, die Zeitung machten…Sie werden merken, dass die Zeitung keine journalistische Glanzleistung war. Da kein Redaktionsstab vorhanden war, hatte der Redakteur alleine die Auswahl der Artikel zu treffen. Die Artikel wurden überwiegend von jungen Arbeitern geschrieben. Wir hatten damals so gut wie keine Intellektuellen oder Studenten in unseren Reihen. (…) Die FAUD hatte keinerlei Einfluß auf die Zeitung, zumal die Zeitung auch finanziell auf eigenen Füßen stand.“[15] Die Redaktion wechselte über die Jahre zwischen verschiedenen Gruppen in unterschiedlichen Städten: Dresden, Leipzig, Berlin, Offenbach, Bautzen und Erfurt. Im folgenden sind die Daten zu den Instanzen der Zeitschrift wiedergegeben:

 

1923: Verantwortlich: Johannes Stein, Leipzig, Druck und Expedition: Willy Ermer, Hohenzollernstrasse 7, Dresden-Löbtau, Kassierer: Willy Heßberg, Leipzig

 

1924: Herausgeber und Verleger: Walter Kaps, Ueckermünder Strasse 11, Berlin,[16] Schriftleiter: Paul Albrecht, Wadzeckstrasse 4, Berlin, Druck: A. Wurche, Frankfurter Allee 304, Berlin

 

1925: Herausgeber und Schriftleiter: Paul Albrecht, Wadzeckstraße 4, Berlin, Druck: A. Wurche, Frankfurter Allee 304, Berlin

 

1925/26: Herausgeber: Reinhold Busch, Schönleinstrasse 9, Berlin, Druck: Maurer & Dimmick, Buchdruckerei Senftleben und Druckerei Fährmann, Berlin

 

1926: Redaktion: Erich Büchner, Baumerstrasse 3, Erfurt

 

1927: Herausgeber: Otto Klemm, Moltkestrasse 56, Offenbach, Druck Peuvag/J. Wartenberg, Frankfurt/M.

 

1928: Herausgeber und Schriftleiter: Otto Klemm, Moltkestrasse 56, Offenbach; Druck: M.G. Fuchs, Feldstrasse 125, Offenbach

 

1929: Verantwortlich: Walter Schuster, Fleischergasse 23, Bautzen, Druck: Heinrich Gillner, Mindenerstrasse 17, Düsseldorf

 

1930: Verantwortlich: Walter Schuster, Fleischergasse 23 Bautzen, Druck: Heinrich Gillner, Mindenerstrasse 17, Düsseldorf, Verlag Richard Tiede, Emil-Schubertstrasse 8, Leipzig

 

1931: Herausgeber: Erich Schmidt, Am gelben Gut 65, Erfurt

 

Verlag

 

Neben der Zeitung wurden Broschen und Abzeichen des Symbols des zerbrochenen Gewehres,[17] sowie Postkarten (Antimilitarismus, Gustav Landauer, Johann Most), herausgegeben. Die Portraitpostkarte zum 20. Todestag von Johann Most erregte dabei im März 1926 die Aufmerksamkeit und das Verbot durch die Postbehörde („von der Beförderung ausgeschlossen“). Die Angaben auf der Rückseite der Karte stellten, so die Post, „eine Verhöhnung der christlichen Religion“ dar. Diese lautete: „Gott ist nur ein von raffinierten Schwindlern erfundenes Gespenst, vermittels dessen die Menschen bisher in Angst gehalten und tyrannisiert wurden.“ Die Jugend drückte ihre Verwunderung über diese Maßnahme aus mit den Worten: „Es muß doch immerhin traurig aussehen bei den Wolkenschiebern und Himmelsbewohnern, dass sie schon republikanische Behörden als Sachwalter engagieren.“[18]

 

Folgende Schriften erschienen im Verlag:

 

1922: Domela Nieuwenhuis: „Freiheit in der Erziehung“

 

1922/23?: Tolstoi: „Rede gegen den Krieg“

 

1926: Paul Albrecht: Geschlechtsnot der Jugend“

 

1932: „Mit uns zum Freiheitskampf!“ („Verlag: Reichsinformationsstelle der SAJD“)

Folgende Schriften sollten im Verlag erscheinen:[19]

 

1923: Michael Bakunin: Worte an die Jugend

 

1928: SAJD-Düsseldorf „Proletarisches Kampf-, Wander- und Reigen-Liederbuch“[20]

 

1929: SAJD: Kampfliederbuch

 

Den Verlag führten:[21]

 

1922: Alfred Dressel, Hildegardstrasse 52, Leipzig

1923: Wilhelm Heßberg, Hoferstrasse 92, Leipzig

1925: Hans Strempel, Wilhelminenhofstrasse 47, Berlin-Oberschöneweide

1926: Hans Strempel, Blankenfeldestrasse 6, Berlin-Oberschöneweide

1926 (März): Otto Schmidt, Am gelben Gut 65, Erfurt

1927: Theo Müller, Senefelderstrasse 149, Offenbach

1928: Heinrich Kurent, Austrasse 19, Offenbach, ab Mai[22]/Theo Müller, Senefelderstrasse 149, Offanbach

 

Entwicklung

 

Sie seien zu wenig betriebsbezogen, so lautete die Kritik von Genossen. Tatsächlich findet sich überproportional Außerbetriebliches, und der Schöngeisterei in form schwülstiger Gedichte und epischen Selbstzeugnissen wurde in der Tat viel Platz eingeräumt. Besonders deutlich wird dies aus der zeitlichen Distanz heraus. Der Informationswert tendierte in vielen Ausgaben gegen Null, es wurde viel Gefühl vermittelt, aber wenige Fakten, das gilt besonders für „Die junge Menschheit“. Doch analog zur Festigung der syndikalistisch-anarchistischen Jugendbewegung in der SAJD machte auch das Erscheinungsbild Veränderungen durch: Die von Romantik und Nacktkultur geprägten Zeichnungen in den Organen wurden ersetzt durch die Darstellung des Arbeitsalltages, beispielsweise in Form von rauchenden Fabriktürmen: „Aus dem jugendlich inspirierten Titelbild, sich frei und nackt gebärdende jungen Männer und Frauen in heroischen Posen, fahnenschwingend der Zukunft in Gestalt eines befreiten Landes zugewandt, über dem die Sonne aufgeht und den jugendstilartig-verkünstelten Schriftzug ‚Junge Anarchisten’ illuminiert, wandte sich in der ersten Hälfte des Jahres 1926 das Erscheinungsbild ins Radikale. Geprägt von der ‚Kampfkultur’ gegen Nationalismus, Faschismus und Militarismus prangte am Zeitungskopf ein Paar anarchistischer Arbeiter, das entschlossener Miene und mit Hammer und Fackel mit schwarzer Flamme in der Hand, zielstrebig dem (nicht sichtbaren) Klassenfeind entgegenstürmt. Im Hintergrund sieht man rauchende Fabrikschlote und darüber den dynamisierten Schriftzug.“[23] Zurück ging der Beschluß zur äußeren Veränderung auf einen Kongressantrag der SAJD Dresden, welcher lautete: „Es ist wichtig, dass schon durch die äußere Ausgestaltung unsere Zeitung werbend wirkt. Deshalb ist es zu verwerfen, dass die ‚Jungen Anarchisten’ mit einem Kopfe erscheinen, der an eine bürgerlich-kitschige Gartenlaube erinnert. Wir müssen weiter eindringen in die Arbeiterschaft und haben daher Wert darauf zu legen, nicht als Wandervögel angesehen zu werden.“[24] Die Stuttgarter SAJD sekundierte ihrerseits: „Der jetzige bürgerlich-kitschige Titelkopf des J.A. muß verschwinden. Wir sind keine nackten Engel und machen auch keine Klimmzüge an Sonne und Mond.“[25] Analog zum äußeren Erscheinungsbild richtete sich die Jugendpresse auch inhaltlich mehr an den Arbeitsverhältnissen und dortigen Tagesfragen aus, was auf einen Kongressantrag der SAJD-Stuttgart zurückging, in welchem es lautete: „(…) Der ganze Inhalt der J.A. muß im Geiste schärfsten Klassenkampfes gehalten sein. Ohne Wandervogelromantik und ohne künstlerisch-literarische Verwässerung muß in Wort und Schrift das Gesicht der herrschenden Klasse rücksichtslos enthüllt werden.“[26] Zu den Themen gehörten fortan verstärkt tarifliche Bezahlungen und Arbeitssicherheit. Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Gegnerschaft zum geplanten Arbeitsdienstpflichtgesetz. Klassenkampf stand nun im Vordergrund. “Die ‘Jungen Anarchisten’ sollen, so die Ansicht des 4. Reichskongresses der SAJD im Jahre 1925, weiter ausgebaut werden, damit es ein Kampforgan für 17-19jährige Proleten in den Betrieben wird“[27]

 

Repression

 

Die Staatsgewalt wurde schon früh auf die „Jungen Anarchisten“ aufmerksam. Aufgrund einer Verbotsverfügung vom Dezember 1923 wurde „auch die Herstellung und Verbreitung der Zeitschrift ‚Junge Anarchisten’ untersagt (…)“. Es gelang „Dresdner und Leipziger Kameraden trotz mancher Widerstände, die Herausgabe der Zeitung zu sichern. Dort, wo unsere Organisationen aufgelöst wurden oder infolge der äußeren Einflüsse innerlich zerfielen, erstehen aus den Ruinen schon wieder die ersten Mauern, die es zu festen Bollwerken des herrschaftslosen Sozialismus auszudehnen gilt“.[28] Im Jahre 1925 schließlich sollte gegen den Schriftleiter Paul Albrecht vor dem Staatsgerichtshof Leipzig ein „Hochverratsprozeß“ angestrengt werden. Inkriminiert und polizeilich entwendet wurden die Ausgaben Nr. 1, sowie 4/5 des zweiten Jahrganges mittels der §§ 86, 81, 73 StGB und § 8 Ziffer 1 des Republikschutzgesetzes.[29] Eine allgemeine Amnestie bewahrte Albrecht vor einer Strafe. Das Verfahren gegen ihn wurde 1926 eingestellt. [30] Er trat als Schriftleiter zurück, offiziell, um sich seinen Aufgaben als Referent besser widmen zu können. Tatsächlich werden die laufenden Ermittlungen den Ausschlag gegeben haben.[31] Der „Syndikalist“ titelte: „Die ‚Jungen Anarchisten’ in Gefahr!“ und führte aus: „Anfang Februar dieses Jahres wurde gegen den verantwortlichen Schriftleiter der ‚Jg. An.’ ein Hochverratsverfahren eingeleitet. Jetzt bekam der Genosse P. Albrecht den Bescheid, dass die Voruntersuchung abgeschlossen ist. In absehbarer Zeit wird der Prozeß vor dem Staatsgerichtshof in Leipzig ausgetragen werden. Gleichzeitig erhielten wir die Mitteilung vom Landgerichtsdirektor Vogt, dass die Nummern 1 bis 4-5 des 2. Jahrganges beschlagnahmt seien. Angeblich soll der Inhalt dieser Nummern gegen die §§86, 81, 73 des StGB und § 5, Ziffer 1 des Republik-Schutzgesetzes verstoßen. In dieser Beschlagnahme ist eine bewusste Maßnahme zur absoluten Unterdrückung unseres Jugendorganes zu erblicken. Nummer 6, die augenblicklich noch im Druck ist, wird sicher das gleiche Schicksal erleiden, denn unter den bisher verbotenen Nummern sind, selbst im juristischen Sinne, absolut harmlose, auf die die angegebenen ‚Verbrechen’ auf keinen Fall zutreffend sind. Die Rist. wendet sich in dieser ernsten Situation an alle Ortsgruppen im Reiche mit der ernsten Bitte, alles zu tun, um die Rist. materiell zu stützen, damit wir, allen Unterdrückungsmaßnahmen der Staatsgewalt zum Trotz, unsere mahnende Freiheitsstimme weiter ertönen lassen können. Die Rist. der SAJD“[32] Verkäufer der „Jungen Anarchisten“ in Ludwigshafen bemühten eigens das Oberlandesgericht in München zur Revision einer richterlichen Entscheidung auf Geldbuße. Ihr „Vergehen“ bestand darin, ohne Erlaubnisschein mit dem Verkauf der Zeitung vor dem örtlichen Arbeitsamt im März 1929 gegen die Gewerbeordnung verstoßen zu haben. Dafür gabs zunächst einen Strafbefehl, dann folgte der vorläufige Richterentscheid auf unterster Instanz. Der Freispruch erfolgte knapp ein Jahr später im Januar 1930. Dem endgültigen Urteil lag die Tatsache zugrunde, dass der kostendeckende Verkauf der Zeitung kein Gewerbe darstelle. Die Bedeutung und der Wert für die Bewegung lagen nicht in der Abwendung des Bußgeldes von 5 Mark, sondern darin begründet, dass sich Verkäufer in ähnlichen Rechtsfällen auf dieses Urteil hätten berufen können.[33] Als „Junge Anarchisten“ im Jahre 1931 eingestellt wurde, erschienen noch kurzlebige lokale Zeitungen, dann erfolgte im Zuge des herannahenden Faschismus die Umstellung auf die Illegalität.

Standorte: IISG-Amsterdam, IML-Berlin, ISB-Bochum, SLB-Dresden, DB-Leipzig, SML-Leipzig

Wert für Syndikalismusforschung: Elementar zur Jugendforschung, aber auch zur Gesamtbewegung


 

[1] Redakteur der „Flammenzeichen“ war Walter Lenz aus Dresden, vgl.: „Junge Anarchisten“, Nr. 1/1923.

[2] Vgl.: „Die Schöpfung“, Nr. 14/05. Oktober 1922.

[3] Vgl.: „Der Syndikalist“, Nr. 10/1926 und 4/1929.

[4] Vgl.: „Junge Anarchisten“, Nr. 1/Mai 1927.

[5] Vgl.: „Junge Anarchisten“, Nr. 7-8/1926, Nr. 1/1927; „Die Internationale“, Nr. 5/1925, S. 123; „Der Syndikalist“, Nr. 7/1929.

[6] Vgl.: „Der Syndikalist“, Nr. 3/1925.

[7] BA, R 58/321.

[8] „Der Syndikalist“, Nr. 4/1929.

[9] „Junge Anarchisten“ erschienen ab Februar 1929 wieder monatlich, vgl.: „Der Syndikalist“, Nr. 4/1929.

[10] „Der Syndikalist“, Nr. 50/1928.

[11] „Junge Anarchisten“, Nr. 1/1926.

[12] „Junge Anarchisten“, Nr. 12/1925.

[13] „Der Syndikalist“, Nr. 4/1929.

[14] Siehe: Herbert Wehner: „Der große Sumpf“, in: „Junge Anarchisten“, Nr. 8/1925.

[15] Ulrich Linse: Die anarchistische und anarcho-syndikalistische Jugendbewegung…, S. 47 ff.

[16] Kaps starb am 06. Juni 1932 an Tuberkulose, vgl.: „Der Syndikalist“, Nr. 23/1932.

[17] Vgl.: „Junge Anarchisten“, Nr. 7-8/Juli 1926.

[18] Zitate nach: „Junge Anarchisten“, Nr. 3-5/Mai 1926.

[19] Vgl.: „Der Syndikalist“, Nr. 9/1923, 4/1929.

[20] Vgl.: „Der Syndikalist“, Nr. 2/1928. Adresse: Hubert Pootmann, Ackerstraße 154, Düsseldorf (Büro der FAUD). Sie erbaten, Texte und Lieder zu schicken.

[21] Vgl.: „Der Syndikalist“, Nr. 9/1923, und entsprechende Angaben in der Deutschen Nationalbibliothek.

[22] „Der Syndikalist“, Nr. 25/1928.

[23] Arno Maierbrugger: „Fesseln brechen nicht von selbst“…, S. 67.

[24] „Junge Anarchisten“, Nr. 11/1925.

[25] Ebd.

[26] Ebd.

[27] „Junge Anarchisten“, Nr. 2/1925.

[28] „Junge Anarchisten“, Nr. 3-4/1924, zit. n. Jürgen Jenko: Die anarcho-syndikalistische Bewegung (FAUD) in Dresden.

[29] Vgl.: „Junge Anarchisten“, Nr. 6/1925.

[30] Vgl.: StAB, 4,65-521, Bl. 10.

[31] Vgl.: „Junge Anarchisten“, Nr. 7/1925.

[32] „Der Syndikalist“, Nr. 23/1925.

[33] Vgl.: „Junge Anarchisten“, Nr. 2/1930.

 

Aus: Helge Döhring: Die Presse der syndikalistischen Arbeiterbewegung in Deutschland 1918 bis 1933, Edition Syfo No.1 (2010), 2. Auflage 2012

   

Seit_2007

 

Since 2007