Das Informationsportal zur Geschichte der syndikalistischen Arbeiterbewegung

 

Institut für Syndikalismusforschung

 

 

Home

 

Suche auf Syfo /Search Syfo Pages

 

Other Languages/

Otras Lenguas

 

Kontakt

 

Impressum

 

Franziska Krischer:

„Sind syndikalistische Frauenbünde notwendig ?“

„In der Nr. 33 des Syndikalist wirft „Espero“ diese Frage von neuem auf und verneint sie. Abgesehen davon, dass stichhaltige Gründe durch den ablehnenden Standpunkt nicht angegeben werden, denn die angeführten sind keine solchen, geht der Artikel in keiner Weise auf das Wesen der Frauenfrage ein. Das ist auch erklärlich, ein Mann kann nur schwer das Problem erfassen.

Zunächst wird gesagt, dass viele Frauenbünde wieder eingeschlafen seien und die anderen nur vegetieren, dass ferner die Aufgaben nicht erfüllt seien, nämlich die Frauen und Töchter unserer männlichen Mitglieder mit den Ideen des Syndikalismus – Anarchismus vertraut zu machen und sie organisatorisch und propagandistisch zu schulen. Da möchte ich zunächst die Gegenfrage stellen, wo sind denn die Organisationen der Männer ihren Aufgaben bisher gerecht geworden? Vegetieren da nicht auch recht viele? Konsequenterweise mussten da eigentlich unsere männlichen Kameraden bei sich selbst anfangen. Wenn den Frauen nun dasselbe passiert, wie den Männern, so ist das recht entschuldbar, weil die Frauen erst anfangen, sich zu organisieren, während die Männer schon seit 60 bis 80 Jahren die Schule der Organisation kennen. Aus diesem Grunde brauchen allerdings die Frauen vorerst noch die Mithilfe von Männern bei der Organisation und als Referenten usw. Wenn gerade Düsseldorf als Beispiel angeführt wird, so handelt es sich um einen Ort, wo seit Jahren schwere Differenzen auch unter den Männern vorhanden sind. An einer solchen Stelle ist natürlich kein guter Boden für die gedeihliche Entwicklung eines Frauenbundes vorhanden.

Dann meint der Artikelschreiber, dass eine Organisation umso besser sei, je einfacher sie ist, und dass aus dem Grunde besondere Frauenorganisationen überflüssig wären. Nun, wir sind doch aber Föderalisten, d.h. wir bilden für jede besondere Interessengruppe eine Organisation für sich. Wenn der Schreiber sagen wollte, dass die Vielheit der Organisationen vom Uebel sei, so müsste man konsequenterweise zur Zusammenfassung schreiten, das wäre aber gerade der Weg zum Zentralismus! Wir erblicken ja gerade die Einfachheit darin, dass jede Gruppe selbständig ist. Wenn wir den nicht erwerbstätigen Frauen und Töchtern unsere Mitglieder in den Gewerkschaften Sitz und Stimme einräumen würden, so würde das gerade umgekehrt diese Organisationen sehr komplizieren. Wir sind doch in erster Linie Gewerkschaften, da können logischer weise nur die zahlenden Berufs- bzw. Industriezugehörigen über die gewerkschaftlichen Verhältnisse taten und taten. Man müsste passive Mitglieder schaffen und eine Summe von Differenzen wäre die Folge. Wo blieben denn aber bei diesem System die heute in den Bünden zahlreichen nicht erwerbstätigen Frauen und Mädchen, die keinem Mitgliede zugehören, deren Männer oder Brüder oder Verlobten noch in gegnerischen Organisationen sind.

Themen, welche nur den Mann, oder nur die Frau interessieren, gibt es nach der Meinung von „Espero“ nicht! Wenn dieser Satz richtig wäre, dann würde das allerdings immer noch nicht beweisen, dass die Frauenbünde überflüssig sind! Aber im allgemeinen haben die Frauen anders geartete Interessen als die Männer und umgekehrt, weil ja Mann und Frau seelisch ganz verschieden veranlagt sind: Die Frauen sind mehr Gefühlswesen, die Männer mehr Verstandsmenschen. Es mag Männer geben, die sich für vieles interessieren, aber das sind doch Ausnahmen, die nur die Regel bestätigen. Es handelt sich aber noch um etwas anderes. Es gibt Probleme für die Frauen, die zwar einige Männer interessieren können, die aber nur Funktionen der Frau betreffen; die Gemütsveranlagung der Frau verbietet es ihr aber, diese Fragen in Gemeinschaft mit Männern zu erörtern. Diese Fragen sind für jede Frau von außerordentlicher Wichtigkeit, denn sie betreffen ihre Gesundheit und das Geburtenproblem! Allein kann sich auch hier die einzelne Frau nicht helfen, aber in der Gemeinschaft kann sie die nötige Aufklärung und die etwa nötige Hilfe bekommen! Sollen sich etwa die Männerorganisationen ebenfalls mit diesen Fragen beschäftigen?

Wir kommen nun zum Hauptgrund, weshalb Frauenbünde eine Notwendigkeit sind. Espero schreibt an einer Stelle ganz richtig. Die organisatorische und geistige Unselbständigkeit der Frau ist eine Folge jahrhundertelanger Versklavung. Diesen Gedanken müssen wir weiterverfolgen! Durch wen und an wen ist sie denn versklavt? Gewiß ebenso wie der Mann durch die kapitalistischen Verhältnisse. Das meint doch aber Espero nicht, denn dann müsste doch der Mann ebenso geistig rückständig sein. Sie ist neben diesen gesellschaftlichen Verhältnissen noch in andrer Weise versklavt; durch den Mann! Es mag sein, dass dies zum Teil auf die Eigentumsverhältnisse zurückzuführen ist, aber damit ist noch nicht gesagt, dass sich diese moralische Unterordnung unter den Mann, die Männermoral, von selbst aufheben wird, wenn andere gesellschaftliche Verhältnisse eintreten. Der beste Beweis hiergegen liegt in der Tatsache, dass auch in der besitzlosen Arbeiterschaft diese Männermoral vorhanden ist. Oder will Espero bestreiten, dass es in unserm eigenen Reihen so ist?

Worauf ist es dann zurückzuführen, dass die Männer ihre Frauen nicht in die Runde geleitet haben? Immer wieder haben wir hören müssen, dass die Männer die Frauen von dem Besuch der Versammlungen abhalten! Auch unsere Kameraden betrachten ihre Frauen noch im allgemeinen als Haushaltsbediente und willfährige Liebesobjekte! Von einer gerechten Gleichbewertung ist keine Rede. Die Männer haben Angst davor, dass auch die Frauen noch in Versammlungen rennen, dass die Frauen dasselbe tun, wie sie selbst. Dieser Zustand ist auch logisch und verständlich! Erstens empfinden ja die Männer gar nicht das Unrecht, das sie begehen, sie glauben sogar recht zu handeln! Sie können die Frau in ihrer anders gearteten seelischen Einstellung zweitens noch viel weniger begreifen, als sich sonst zwei Menschen begreifen können. Aus dem Grunde sind Männer gar nicht in der Lage, den bestehenden Zustand der Ungleichheit der Rechte der beiden Geschlechter auf allen Gebieten zu ändern, selbst wenn sie Engel wären, was sie aber nicht sind, sondern raubeinige Habenwoller! Es ist nun einmal eine Tatsache, dass niemals in der Geschichte eine herrschende Klasse oder Schicht freiwillig ihre Privilegien aufgegeben hat. Ebenso wenig werden die Männer jemals freiwillig oder aus sich heraus der Frau die Gleichberechtigung einräumen! Diese muß sich die Frau selbst erkämpfen! Ebenso richtig als der Satz ist: „Die Befreiung der Arbeiter kann nur das Werk der Arbeiter selbst sein!“ Entweder die Frauen beschreiten diesen Weg, oder sie werden nie frei! Wenn man aber den Frauen empfiehlt, diesen Befreiungskampf in der gemeinsamen Organisation mit den Männern zu führen, so ist das dasselbe, als wenn man den Arbeitern empfehlen würde, ihren Befreiungskampf in Harmonievereinen mit den Unternehmern zu führen!

Die Gesamtbewegung hat aber auch ein großes Interesse daran, dass die Frauen sich aus den ungleichen und ungerechten Verhältnissen befreien, weil ohne sie auch keine freie Gesellschaft existieren könnte. Die Freiheit ist unmöglich nur für einige, sie küsst entweder alle oder keinen! Selbst wenn die freie Gesellschaft herbeigeführt würde, könnte sie nicht bestehen, wenn die Frau nicht inzwischen die Gleichberechtigung erkämpft hätte! Aus diesen Erwägungen tritt die Gesamtbewegung für die Bildung von besonderen Frauenbünden ein! Dadurch wird auch keine neue Klasse oder ein Dualismus geschaffen, denn die Ungerechtigkeit der beherrschten Frau durch den Mann ist schon da! Es heißt sie verewigen, die Frauen von dem einzig möglichen Weg ihrer Befreiung abhalten zu wollen. Ein Dualismus liegt um deswegen nicht vor, weil es nur gerecht ist, auch die wichtige und mühselige Arbeit der Hausfrau als einer Berufstätigkeit gleichwertig anzuerkennen. In dem Sinne tun die Hausfrauen nichts anderes, wenn sie Bünde bilden, als was der Metallarbeiter oder Holzarbeiter tut, wenn er seiner Berufs- oder Industrie-Organisation beitritt! Nur in solcher Weise passen die Frauen überhaupt in unsere Gewerkschaftsbewegung hinein.

Soviel für heute, um den Artikel nicht noch länger zu machen! Nur eins sei zu Schluß den Männern noch gesagt: Sie mögen sich hüten, Vorschläge zur Beseitigung der Bünde zu machen! Das wäre nur Sache der Bünde selbst! Dieses Verfahren riecht schon an sich nach Bevormundung und die lassen sich die Frauen nicht länger gefallen!

Franziska.“

Aus: „Der Syndikalist“, Nr. 37/1924

Seit_2007

 

Since 2007