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Früher Abschied - in memoriam Horst Stowasser

 

Am 7. September 2009 wurde in Neustadt an der Weinstrasse unter Anteilnahme zahlreicher Freunde, Genossen und Weggefährten Horst Stowasser bestattet. Für viele ist es immer noch unfassbar, dass der Tod so plötzlich einen der bedeutendsten Köpfe des deutschen Nachkriegsanarchismus mitten im produktivsten Schaffen überrascht und aus dem Leben gerissen hat. 

 

Ich lernte Horst in einem der vergangenen Winter kennen, als er mit seinem Bruder Mecklenburg bereiste. Bei strahlendem Sonnenschein kamen sie an, und bei klirrendem Frost machten sie sich erst einmal auf den Weg zum nahegelegenen See. Hier wurden sie unvermutet von einem Schneesturm überrascht, der dem Spaziergang ein Ende bereitete. Beim anschließenden Auftauen im Haus lernten wir uns dann bei heißen Getränken näher kennen. Kontakte wurden geknüpft und fruchtbare Ideen entstanden. Im Nachhinein gesellte sich sogar eine mißlungene Geschäftsidee dazu. Die Abreise der Stowassers gestaltete sich etwas schwierig, da der moderne Mercedes-Sprinter im halbmeterhohen Schnee des Wilden Ostens stecken geblieben war. In diesem Gewusel vergaß Horst seine am Ofen trocknenden Socken. Um die krisengeschüttelte finanzielle Situation des Hauses aufzubessern, waren wir drauf und dran die Stowasser-Socken bei E-bay zu versteigern - und nur das Verschwinden dieser im Chaos der Baustelle, verhinderte ihre gewinnträchtige Veräußerung. Als Horst in diesem Sommer erneut in Mecklenburg weilte, hatte das Wetter ein Einsehen. Die wenigen gemeinsamen Stunden verbrachten wir bei strahlender Sonne im Grünen, bei intensiven Gesprächen, Austausch von Literatur und dem Besprechen weiterer Zusammenarbeit. Das Energiebündel mit Zigarre war sichtlich erfreut, dass sein langjähriger Traum - die Eröffnung des An-Archivs in den Räumen des Eilhardshofes - in absehbarer Zeit in Erfüllung gehen sollte. Mit sichtlichem Humor erzählte Horst dabei Anekdoten, aus seiner Zeit - der "neuen anarchistischen Generation".

 

So verlegte Horst Mitte der siebziger Jahre im An Archia Verlag Wetzlar die Broschüre von Rudolf Rocker "Der Leidensweg von Zensl Mühsam". Ein kleines Werk, in welchem Rocker die Geschichte der Witwe des anarchistischen Dichters Erich Mühsam erzählt. Es war seit der Erstauflage von 1949 vollständig vergriffen. Jedoch wählte Horst bei dieser Auflage einen neuen, seiner Meinung nach "zeitgemäßen" Titel. Und so erschien das Büchlein unter dem Titel "Erich und Zensl Mühsam - Gefangene bei Hitler und Stalin, Der Leidensweg des berühmten anarchistischen Dichters und seiner Frau". In einem großspurigen Vorwort, wie Horst verschmitzt zugab, nahm er die "Mängel" des Rocker-Textes auf's Korn. "Alt und nicht mehr aktuell" sei er, die "Sprache sei nicht von heute" und überhaupt "bedürfte er im Grunde einer völligen Überarbeitung". Dies brachte ihm einiges an Kritik ein - so warf ihm Willy Paul aus Kassel, ein Urgestein der Vorkriegs-FAUD (Freie Arbeiter-Union Deutschlands, anarcho-syndikalistische Gewerkschaft) "Respektlosigkeit" vor.Das Angenehme bei Horst war dabei, dass er die Angelegenheit rückblickend durchaus mit Humor nahm, es war sichtbar, dass er nicht in seiner Entwicklung stehen geblieben ist, sondern sich immer noch auf der Suche befand.

 

Ein kleiner Traum in schwarz-rot wäre es geworden, ihm bei der Einrichtung des An-Archivs in den noblen Räumen des Eilhardshofes behilflich sein zu können, und dabei den Geschichten zu lauschen, die mit seinen jahrelangen Sammlungen verbunden waren. Nun wird dies nicht möglich sein. Doch die Hoffnung bleibt, dass das An-Archiv seinen angedachten Platz behält, und bald für die Erforschung zugänglich wird. Hierzu wünschen wir den Nachfolgern von Horst und dem Eilhardshof viel Glück und Erfolg!

 

Horst selbst aber wird wohl das tun, was ein Genosse in der Grabrede treffend formulierte: "Ich weiß nicht wo Horst jetzt ist, aber ich weiß bestimmt, er ist dabei ein neues Projekt anzustoßen - und sei es die Veränderung der Hölle!"

Auch dabei - Gutes Gelingen!

Valentin Tschepego

 

 

 

Die Aufnahmen entstanden bei der Trauerfeier für Horst Stowasser am 7. September 2009 auf dem Friedhof in Neustadt an der Weinstraße.

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